Literarische Erörterung

zu Lessings Nathan der Weise


Aufgabe:

Bearbeiten Sie eines der folgenden Themen in Form einer literarischen Erörterung! Halten Sie sich dabei an die in der Schule geübte und besprochene Form! Die Arbeitszeit beträgt 150 Minuten.

Viel Erfolg!


Themen:

Die Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe des Hamburger Lesehefte Verlages (HLV).

  1. Das Schachspiel als Sinnbild der Situation Saladins (2. Aufzug, 1. Auftritt, S. 28-31 HLV)
  2. Liebt er oder liebt er nicht? Stellen Sie den inneren Kampf des Tempelherrn dar! (3. Aufzug, 8. Auftritt, S. 70f. HLV)
  3. Kirchenkritische Elemente in Lessings Nathan (4. Aufzug, 2. Auftritt, S. 81-85 HLV)

Ersatzthemen:

  1. Der Tempelherr zwischen Ignoranz und Toleranz (2. Aufzug, 5. Auftritt, S. 41-44 HLV)
  2. Dajas Geheimniskrämerei – Kuhhandel oder Befreiung für den Tempelherrn? (3. Aufzug, 10. Auftritt, S. 73-78 HLV)
  3. Stellen Sie den inneren Kampf des Tempelherrn im 5. Aufzug, 3. Auftritt (S. 105-107 HLV) dar!


Musteraufsatz:

Welche ist die wahre Religion? Gehen Sie dieser Frage mithilfe der Ringparabel in Lessings Nathan der Weise (HLV, S. 64-68) nach!
(Literarische Erörterung)

Gliederung

  1. Konfliktherd Naher Osten
  2. Die Ringparabel als möglicher Lösungsweg
    1. Eine uralte Überlieferung
    2. Kennzeichen der wahren Religion
    3. Saladin, der mächtige Herrscher in Jerusalem
    4. Der weise Nathan
  3. Die aufklärerische Absicht Lessings

Ausführung (in Auszügen)


Seit der Palästinenserführer Yassir Arafat am ... starb, keimt in vielen Men­schen wieder die Hoffnung auf einen Frieden im Nahen Osten. Dieser Konflikt reicht tief in die Geschichte zurück und hat seine Wurzeln im Aufeinander­prallen dreier Weltreligionen. Er prägt die beiderseitigen Beziehungen zwi­schen dem christlichen Abendland und dem Morgenland. Bereits im 18. Jahr­hundert versuchte der Aufklärer Gotthold Ephraim Lessing dem gegenseitigen Argwohn der Menschen die Spitze zu nehmen. Er siedelte daher sein bedeu­tendstes Drama Nathan der Weise im Jerusalem zur Zeit der Kreuzzüge an. Seine Titelfigur erzählt darin eine alte Sage, mit deren Hilfe er eine gefährliche Frage des Sultans beantwortet. Nathan geht damit sehr weise dem Risiko aus dem Weg, einer der drei großen Religionen Christentum, Judentum und Islam den Vorzug zu geben und damit den Sultan gegen die eine oder andere Partei aufzubringen. Bei Nathans Erzählung handelt es sich um die sogenannte Ringparabel, die im 7. Auftritt des 3. Aufzugs den Höhepunkt des Dramas bildet.

[Inhaltsangabe]

In Vers 1962-64 sagt Nathan: „der rechte Ring war nicht / Erweislich; [...] Fast so unerweislich, als / Uns itzt – der rechte Glaube.“ Damit vergleicht er direkt die drei Ringe mit den drei Weltreligionen, in Saladins Machtbereich aufein­ander treffen, nämlich Christentum, Judentum und Islam. Im weiteren Gespräch verrät er, „der Ring / Besitzt die Wunderkraft beliebt zu machen; / Vor Gott und Menschen angenehm.“ Dieses Merkmal müsste demnach auch die wahre Religion besitzen. Wie der Richter in Nathans Parabel, so müssten Saladin und wir die wahre Religion daran erkennen, dass ihre Anhänger beliebt sind und vor Gott und Menschen angenehm. Bezieht man diese Eigen­schaft auf die drei genannten Religionen, so kommen wir zu einem beschä­menden Ergebnis. Das Judentum leidet seit Jahrtausenden unter Verfol­gungen und kann keineswegs den Anspruch erheben, beliebt zu machen. Die Christen sind kaum besser dran. Kreuzzüge und Pogrome bis hin zum Holo­caust des Dritten Reiches lassen es fraglich erscheinen, ob die Christen immer zum Wohle Gottes gehandelt haben. Die Muslime schließlich haben ge­rade in der heutigen Zeit mit dem Vorwurf des Radikalismus zu kämpfen, gilt der fundamentalistische Islam doch als Brutstätte des internationalen Terroris­mus, der den Islam ebenfalls eher unbeliebt erscheinen lässt. Die Erzählung scheint also nicht ein allgemein gültiges Rezept zu enthalten, nach dem man die wahre Religion unfehlbar erkennen kann. In diesem Falle müsste sich schließlich seit Erscheinen des Dramas eine der drei Religionen gegenüber den anderen eindeutig durchgesetzt haben. Da dies aber nicht der Fall ist, muss die Lösung noch gesucht werden.

[Saladin, der mächtige Herrscher in Jerusalem]

[Der weise Nathan]

Gotthold Ephraim Lessing wurde am 22.1.1729 in Kamenz in der Oberlausitz als Sohn eines Pastors geboren. Er studierte danach Medizin und Theologie. Nach Anstellungen in Berlin. Leipzig und Breslau erhielt er 1767 eine Anstel­lung als Dramaturg und Kritiker am Deutschen Nationaltheater in Hamburg. Am 15.2.1781 starb er in Braunschweig. Lessing gilt als ein bedeutender Vertreter der Aufklärung in Deutschland, dem es gelungen ist, seine Ideen und Gedanken in seinen Werken einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Sein Ideendrama Nathan der Weise beschäftigt sich mit dem scheinbar unlös­baren Konflikt der drei großen Offenbarungsreligionen. Er weist uns durch den gelehrten Nathan einen Weg, Andersdenkende zu tolerieren und dadurch blu­tige Konflikte zu vermeiden. Gerade in der heutigen Zeit, wo Krisenherde in aller Welt immer wieder in blutige Auseinandersetzungen ausarten, wäre ein wenig von Lessings Toleranzgedanken und Nathans Weisheit hilfreich. Denn nur „mit Sanftmut, / Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun, / Mit innigster Ergebenheit in Gott“ (V. 2045-47) können wir die Zukunft meistern.